Chronik
Herzlich willkommen zur Schulchronik einer der größten Schulen Münchens. Seit mehr als 50 Jahren treffen am MGM Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen aufeinander und gestalten gemeinsam eine lebendige Schulgemeinschaft. In den Fluren und Klassenräumen, auf dem Pausenhof und bei Schulveranstaltungen entstehen jeden Tag neue Geschichten.
Die Chronik ist ein Spiegelbild dieses bunten Schulalltags, in der wir mit einem Augenzwinkern an einige kleine und große Momente unserer Schulgeschichte erinnern wollen.
1970-1980
Da stehst du nun also – in deinen Kinderschuhen, angeblich schlanke 15,7 Millionen DM teuer, etwas schmucklos, eher stattlich als behaglich, eher funktional als funkelnd, aber von Anfang an mit viel Leben und Engagement erfüllt. Viel Zeit für einen ruhigen Start gibt es nicht. Mit bald 1000 Schülern bist du von Anfang an ein Riese unter den Schulen der Landeshauptstadt. Und du wirst wachsen, wachsen, wachsen: Ab 1973 wird ein mathematisch-naturwissenschaftlicher Zweig deine Ausrichtung als rein Neusprachliches Gymnasium ergänzen, schon 1974 bist du teilweise sechszügig und dein Rektor wird bald den Eltern erklären müssen, dass die Zahl der Lehrer zu klein sei, um alle Pflichtstunden abzudecken. Und deswegen bekommst du schon am Ende deines ersten Jahrzehntes deinen ersten Erweiterungsbau, den Pavillon, für den man traurigen Herzens die Wiese vor den Turnhallen opfert.
Das wird nicht der einzige Grund für Unmutsäußerungen sein. In diesem, deinem ersten Jahrzehnt, wird durch die Einführung des numerus clausus der Hochschulzugang verengt und viele befürchten Nachteile für die Oberstufe. Auch die neue Kollegstufe weckt Ängste vor `totaler Verwissenschaftlichung, einseitiger Intellektualisierung´ auf Kosten von Kreativität und auf Kosten des Musischen. Lehrer und Schüler machen sich lautstark Sorgen über fehlende Nestwärme, da nun in der Oberstufe die Klassenverbände zu Gunsten von Kursen aufgelöst werden. Werden sich diese Befürchtungen bestätigen? Den Satz von Rektor Elmar Meder aus dem Jahresbericht 1977/1978 „Ein leichtes Jahr war es nicht, aber wir konnten es mit vereinten Kräften zu einem akzeptablen Ende bringen“ magst du getrost als Devise für jedes Jahr in deinem ersten Jahrzehnt nehmen.
Doch manches wird auch einfach schön! Es wird gut besuchte Wahlunterrichte wie Handarbeit, Stenographie und Werken geben, aber auch Fußball, Tischtennis, Handball und Orchester. Die Musiker wagen erste Frühjahrskonzerte in der Turnhalle, die Fachschaft Sport wird Turniere im Sitzfußball organisieren, die Fachschaft Biologie sich über die erhöhte Effektivität im Unterricht durch die Anschaffung von zwei Overheadprojektoren freuen. Im schuleigenen Photolabor wird kenntnisreich Herr Dombrowsky aushelfen, die Klassen 11 verbringen Gemeinschaftstage in Fürstenried, der Sieger im Wettbewerb „Verschönerung der Klasszimmer“ freut sich über einen Zusatzwandertag. Manche haben Glück und Geschichtsunterricht bei Herrn Schotte. Der Jahresbericht beinhaltet den Bericht der Schulärztin, die das regelmäßige Rauchen beklagt und die Eltern auf Haltungsschäden ihrer Kinder hinweist.
1980-1990
Hoppla, einen kleinen Schreck werden dir die geburtenschwachen Jahrgänge am Anfang dieses Jahrzehnts einjagen - dein Rektor fürchtet um die Erfüllung der Normquote bei den Neuzugängen in Klasse 5. Auch seine Abiturreden atmen den Geist der Zeit. Sie thematisieren Arbeitslosigkeit, fehlende Ausbildungsplätze und falsche Propheten. Aber lange werden diese Wolken nicht über dir schweben; bald kommen andere, die vielleicht etwas kleiner sind, aber über dem MGM schier festwachsen werden: vollgestopfte Klassen, Lehrermangel, Unterrichtsausfall, Raumnot. Vorerst knapp 70 Lehrer müssen sich dem stellen. Namen wie Barbara Benhacine, Rainer Mehringer, Lothar Thiel, Ulrike Weiß, Ulrich Heinersdorff und Frankpeter Heinz werden nun an den Abendbrottischen in Trudering, Riem und Berg am Laim genannt werden. Und in Klasse 7c lernt damals, 1983, ein kleiner Jacob Dietrich und in der 13. Jahrgangsstufe bemüht sich ein Dieter Spielbauer erfolgreich um sein Abitur. Walter Federle wird übrigens beim Bundeswettbewerb Mathematik, Runde 1 den 1. Preis gewinnen und die Fachschaft Mathematik dafür einen Vierfarbendrucker zum Anschluss an den Unterrichtscomputer erhalten. Viele Namen, ein bewegtes Jahrzehnt.
Worauf kannst du dich freuen? Die Eltern nehmen Fahrt auf, so richtig. Der Elternbeirat unter Gislinde Hasholzner initiiert die Landschulheimfahrt der Klasse 5, er wird Formalhydetests durchführen lassen, Vorträge über Aids organisieren, eine Schulhofbeleuchtung erkämpfen und sich dafür einsetzen, die Zahl der Referendare zu verringern, damit es weniger Lehrerwechsel im Schuljahr gibt. Die Eltern stiften auch den Wanderpokal „Beste Sportklasse“.
Mitte der 80er wird es außerdem grün am MGM. „Umweltschutz in der Schulpraxis“ findet Aktive und Fürsprecher; die Öko AG entsteht. Herr Solm wird im Herzen der Schule - im Innenhof - ein Feuchtbiotop platzieren, fleißige Schüler bringen dann Plastik und Aluminium eigenhändig sortiert zu sog. Verwertungsstellen, verkaufen Schulhefte aus Umweltpapier, Vollkornbrot übernimmt die Pausenverpflegung. Italienische Pädagogenkommissionen, russische Regierungsdelegationen und brasilianische Ärzteteams werden dieses Engagement mit ihren Besuchen aufwerten; Oberbürgermeister und Stadträte mit Grußworten wortreich begrüßen. Zu recht. Itzhak Perlman, Weltstar an der Violine, spielt 1982 in der MGM-Turnhalle. Das ZDF überträgt live. Im gleichen Jahr macht Josef Brandstetter ein Blockpraktikum am MGM. Zwei Pluspunkte für das MGM.
1990-2000
Wie schön! In diesem Jahrzehnt wirst du deine erste Beton- und Fassadensanierung erhalten und dann in neuem Glanz, hm, sagen wir: schimmern. Und „neu“ ist das Stichwort, denn dieses Jahrzehnt wird für dich Neuerungen wie Perlen auf eine Schnur eng aneinanderreihen. Konrad Mündel wird neuer Schulleiter, Sabine Elbl-Geretshuber und Karl-Heinz Kern sind neu im Personalrat. Neu gestaltet wird endlich der als „Plattensee“ kritisierte, komplett versiegelte Schulhof. Bäume werden gepflanzt, aus dem Feuchtbiotop im Innenhof wird ein Teich; Wertstoff-Börsen, Schulgarten und Ökoflohmärkte sind Ausdruck eines geänderten ökologischen Bewusstseins. Neu ist die Ernährungswoche (ab ´95), neu ist die Schulordnung (ab ´95), neu sind (mal wieder) die Lehrpläne (ab ´92), neu sind Wahlkurse für Russisch sowie Arabisch und - das G8.
Und es wird viel demonstriert werden, vor allem gegen Verschärfungen im bayerischen gymnasialen Schulsystem: gegen die Einschränkung der Höchstausbildungsdauer, gegen die „Vorfahrtsregelung“ für Leistungskurse zu Lasten anderer Fächer, gegen die Erhöhung des Lernwortschatzes in Klasse 5 um 300 Wörter, gegen Stundenkürzungen. Engagierte Lehrer, Eltern und Schüler beteiligen sich an bayernweiten Demos, Volksbegehren wie „Keine Klasse über 30“ oder Menschenketten.
Auch die großen Umwälzungen in der internationalen Politik werden mit Wiedervereinigung, Jugoslawienkrieg und dem Zerfall der Sowjetunion am MGM Spuren hinterlassen: Es gibt Spendenaktionen für bosnische Kinder, deren Werke in der Ausstellung „Kriegskinder malen“ zu sehen sind, eine AG Asyl wird gegründet, Schüleraustausche führen nach Irland, Frankreich und - Sachsen. Außerdem wirst du eine der ersten Multimedia-Schulen Deutschlands: du bist dann Modellschule von Microsoft, wirst über ein internes Netzwerk und Internet-Zugänge für alle Schüler und Lehrer verfügen. 1997 wird das Notebook-Projekt starten. Und beim Pressetermin zum Start des Pilotprojektes „Interaktive Medien in der Schule“ gratuliert dir Staatsminister Hans Zehetmair.. Nicht schlecht. Sogar echt fortschrittlich.
Und sonst? Frau Baumer-Weißmann wird ihr Weinglas in der Lehrerküche aufstellen, für den stilvollen Schluck Wasser in der Pause; Nobert Geuder wird seine Kaffeetasse genau daneben stellen, Bernd Lückings blonde Locken werden Hunderte in die neu gegründete AG Percussion locken, für wunderbare Weihnachts- und Sommerkonzerte; Erich Kasberger wird legendär „Antigone“ inszenieren und bald wird sich ein Ziegeldrachenwurm über den Schulhof winden - ewige Herausforderung für alle Lehrkräfte mit Pausenaufsicht, vor allem im Winter.
2000-2010
Wie gut, dass du so solide gebaut bist. Der PISA-Schock, der das deutsche Schulsystem am Anfang dieses Jahrzehntes erschüttern wird, haut dich nicht um. Auch nicht die zunehmende Bürokratisierung des Schulalltags. Aber intern kommt vieles ins Rollen - „Schulentwicklung“ wird das Wort der Dekade werden: ALF und Lions Quest in 5. Klassen; „Mutig sein“ in der 8. Jahrgangsstufe; QuiSS-Fortführung mit anderen Schulen; Beginn von EFQM; Schulkongress „Lernen und Lehren nach PISA“. Später die Fortsetzung des EFQM-Prozesses mit Konsensmeetings zur Priorisierung der einzuleitenden Maßnahmen, dazu Skill, Selbstbehauptung, Ausbau der Notebookarbeit, Notebook-Curriculum, Notebookklassen, Modus-Maßnahmen, Comenius-Programm, Evaluationen, ARGE, Online-Klassenzimmer, WUSE, - Abkürzungen werden definitiv der letzte Schrei - mentorIng, Planspiel MUNoM und Simulation POL&IS.
Der neue Schulleiter Hendrik Rehn wird viele Ansprüche, Ideen und Wünsche unter dem Dach des Michaeli-Haupthauses und ab 2007 auch dem Dach des Neubaus (mit Mensa) zusammenführen müssen. Das wird ihn etwas ergrauen lassen und so wird er - dem Aussehen nach dem Göttervater Zeus immer ähnlicher - gelegentlich auch das `olympische Anwachsen der Erwartungen aller´ etwas beklagen.
Ja, und während der Förderverein seinem Namen alle Ehre macht und freundlich fördert und fördert, wird der Elternbeirat sein Mandat sehr ernst nehmen, also vieles anschieben und anmahnen. In finanzieller Topform wird er die Schulhaussanierung weit vorantreiben, den Lehrern die Schulassistentin Brigitte Fischer schenken, Diskussionsforen abhalten, sich um warmes Mittagsessen bzw. einen Caterer kümmern. Selbstbewusst wird er den Erhalt der verschiedenen Nachmittags-Wahlunterrichte fordern, den GEMO gründen, die Bewegte Pause forcieren und Lehrermangel sowie Vertretungschaos hinterfragen.
Deine Lehrer und Schüler werden aktiver denn: Bernd Lücking spielt jetzt in der neu gegründeten Jazz-Band von Musiklehrer Thomas Ludwig, nein, es ist Eric Schillinger - sieht nur genauso aus. Die AG Percussion tritt in der Muffathalle und der Allianz-Arena auf. Die Theatertruppe bleibt mit Maria Teuber als Leiterin in Bestform, Hermann Dopfer leitet eine Drachen-AG, Christian Schwirtlich organisiert eine Ausstellung zum 150. Todestag von Heine, Joachim Neumann erschafft die Homepage, Alessandra Farallos Film AG wird mit Preisen überhäuft. Katharina Wach und Rebecca Wagner schreiben unglaubliche Aufsätze. Es wird einen Trommelworkshop mit Professor Dargie aus Südafrika geben, Schrottpresse und Schulradio, Bergwandern mit Herrn Mündel, einen Lipdup, Jahrgangsstufenversammlungen, Friedrich Ani und Juli Zeh werden aus ihren Romanen lesen.
2010-2020
Mein liebes graues Haus, das letzte Jahrzehnt war eine Herausforderung? Da geht mehr. In den nächsten 10 Jahren werden sich die Räder schneller als je zuvor drehen. Lehrpläne, Arbeitskreise, Evaluationen, Projekte, Austausche werden in atemberaubendem Tempo an der Schulfamilie vorbeiziehen. Das Schulgebäude wird unter der immensen Schülerzahl 1400 ächzen. Sogar im Innenhof brütet nicht mehr nur eine Ente, sondern drei Enten gleichzeitig. Und du wirst nacheinander die Vorläuferklassen von zwei Gymnasien beherbergen müssen; dafür werden 16 Klassenzimmer, drei Computerräume und eine dritte Turnhalle hinzukommen - und nicht ausreichen. Ja, und du wirst neue schöne Titel erhalten: „Umweltschule in Europa“, „Schule ohne Rassismus“, „MINT-freundliche Schule“, „Medienreferenzschule“ und „Stützpunktschule für Bewegungskünste“. Glückwunsch!
Was noch kommt? Die Digitalisierungsoffensive der bayerischen Staatsregierung. Schulleiterin Angelika Loders wird dich in eine neue Zeit lenken. Es gibt dann eine „Schulvereinbarung zum Umgang mit sozialen Medien“, moodle, mebis, Safer-Internet-Days, Medien-Scouts und einen Handy-Schulversuch. Es wird Whiteboards in den Klassenzimmern und Flachbildschirme in der Aula geben. Achja, ein mutiger Lehrer, Jochen Arlt, wird beim Oberbürgermeister ein stabileres Internet für dich ertrotzen.
Und es wird bunter, vielfältiger. Nicht nur Frau Wanats wunderbare Blumenwiese, statt Einheitsrasen, auch deine Schülerschaft ändert sich. Förderprogramme werden sich nun um Bildungsgerechtigkeit bemühen, für die Kinder mit Migrationshintergrund wird man mit der Mercator-Stiftung zusammenarbeiten, das Projekt „Sprachbegleitung“ forcieren, ebenso „Schule für alle“. Auch die Osterakademie und die offene Ganztagesschule unterstützen. So wird deine Schulfamilie intakt bleiben, was Gäste dir immer wieder anerkennend bestätigen werden. Ein Schülersprecher wird den legendären Satz sagen: „Gute Lehrer haben gute Schüler.“ Zu diesen werden Felix Spielbauer und Luis Dietrich gehören, Generation 2 am MGM. Was sonst noch hinter deinen Türen passiert? Literaturpreisträger Saša Stanišić wird in der Turnhalle lesen, Norbert Geuder wird seine Kaffeetasse in der Küche lassen müssen, die letzte Kreidetafel wird abmontiert, Sarah Weiner wird unglaublich schön singen, Peter Steuer und Max Hirt werden die Fußballmannschaft zu großen Erfolgen führen. In den Musikensembles musizieren dann über 400 Schüler. Herr Jung kommt, Gerti Sänger geht, das G9 kehrt zurück. Johannes von der Forst radelt vorbei.
Am Ende werden dann alle von der Corona-Pandemie überrollt und nur mit großen Anstrengungen den Schulbetrieb aufrecht erhalten. Zwei Jahre, die in vielen Bereichen dazu führen werden, Schule neu zu denken.